Stadtbahn–Oberleitung im Selbstbau
Bauanleitung für H0 von Wolfgang Schoppe
Die handelsüblichen Oberleitungssysteme stimmen in der Regel mit der Wiener Stadtbahn-Oberleitung optisch nicht überein. Will man eine möglichst authentische Miniaturwiedergabe erreichen, bleibt einem daher nur der Selbstbau der Mastkonstruktionen.
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1. Allgemeines über das Vorbild
Als Vorbild für das Oberleitungssystem dienten die damals üblichen Konstruktionen für Überlandbahnen, die sehr stark von der schweizer BBC-Oberleitung beeinflusst waren: Portalmast-Konstruktionen für mehrgleisige Strecken mit starrer Aufhängung des oben führenden Hängeseils, bei der mit kurzen Verbindungsseilstücken die darunter liegende Fahrleitung abgehängt wurde.
Das Fahrleitungsseil wurde in regelmäßigen Abständen über spezielle Radspannwerke, die an den Oberleitungsmasten befestigt waren, derart unter Verspannung gehalten, dass die Fahrleitungsdrähte nur einen geringfügigen Durchhang bildeten und so die Bügelpalette des Pantographen bei der Stromabnahme in nahezu gleichbleibender Höhe durchgleiten konnte. Durch temperaturbedingte Längenänderungen der Fahrleitung wurde der Auslegerarm mit dem Fahrdrahthalter beweglich ausgeführt, damit er die (geringfügigen) Längsbewegungen der Fahrleitung mitmachen kann.
Bei Trassenverlauf im Bestandsgelände oder Tieflage sind die Masten im Boden mittels Einzelfundamenten gegründet, bei Hochlagen auf Viadukten und gemauerten Dämmen wurden die Masten an den Außenseiten der Kunstbauten mittels Maueranker befestigt, auf Brücken mittels Stahlkonsolen. Im Prinzip gab bzw. gibt es drei Grundformen, die hier behandelt werden.
2. Grundsätzliches zur Stadtbahn-Oberleitung im Modellmaßstab 1:87
Als Baumaterial bieten sich Messingprofile sowie verkupferte Federstahldrähte an, die relativ leicht zu bearbeiten sind und verlötet werden können. In Bastler-Fachgeschäften bzw. bestimmten Metallwarenhandlungen sind diese Materialien erhältlich und können von Modellbauern mit einer gewissen Erfahrung im Umgang mit Buntmetall-Material unter Verwendung von Hilfsmitteln wie z.B. Biege-, Löt- u. Montage-Schablonen relativ einfach bearbeitet werden.
Für die Herstellung der verschiedenen Mastformen ist allerdings ein nicht unbeträchtliches Kontingent an speziellen Feinmechaniker-Werkzeugen erforderlich. Nur mit entsprechender Ausrüstung werden zufriedenstellende Ergebnisse erzielt, wobei neben der optischen Ausführung der Oberleitung auch auf eine tragfähige Verankerung der Masten bei Kunstbauten wie Viadukte und Stützmauern zu achten ist.
Um diese Stabilität zu erreichen, müssen die Finnkarton-Seitenfronten der Otto-Wagner-Viadukte innenseitig mit dünnen leistenartigen Verstärkungen ausgeführt werden, um zukünftig auftretende Schubkräfte wie z.B. jene der Verspannung der Oberleitung aufnehmen zu können, ohne die Finnkarton-Fronten zu beschädigen.
3. Vorschläge und Tipps zur Oberleitungsherstellung
Im Laufe der Zeit gab es verschiedene Ausführungen der Oberleitungsmasten, was u.a. auch durch die örtliche Fundierungssituation bedingt war (und ist):
- vor den Remisen wurden wegen der engen Gleisabstände meistens Masten in I-Profilform verwendet,
- ebenso bei Befestigung in Brückenbereichen, wo wenig Einbauhöhe zur Verfügung steht,
- An den Außenfassaden der Viadukte anfänglich allgemein Gittermasten mit Diagonalverstrebungen, die in Zickzack-Anordnung zwischen den außenliegenden C-Profilen angeordnet waren, wo sie im Hohlraum der C-Profile mit jeweils zwei Vernietungen pro Berührungsstelle befestigt wurden.
- Später wurden viele dieser aufwendig herzustellenden Gittermasten im Revisionsfall durch einfache H-Profilmasten ersetzt, die zufolge ihres nun höherwertigen Stahlmaterials die gleichen Stabilitätsanforderungen erfüllten.
- Weiters gab es (und gibt es auf der U6-Gürtelstrecke) auch verschiedene Sonderausführungen von Masten (z.B. im Haltestellenbereich Burggasse), wo die Masten mittig zwischen den Streckengleisen versetzt sind und mit Doppel-Auslegern die Oberleitung in Position halten.
3.1 Bauform Streckenmastportale mit I-Profilmasten
Bei der einfachsten Form eines Mastportales über zwei Streckengleise wird für die beiden Profilflansche ein I-Profil mit 3,0 × 2,0mm und einer Materialstärke von 0,4mm verwendet (Kurzbezeichnung: I-Profil 3,0 × 2,0 × 0,4mm)
Der obenliegende Portalträger besteht aus zwei L-Profilen (die kurzen Schenkel bilden dabei die Oberseite) mit den Abmessungen 1,5 × 1,0 × 0,4mm. Er wird in der entsprechenden Höhe an den Flanschkanten des Mastes beidseitig vorbei geführt und dort verlötet. Die im Original jeweils nahe den Flansch-Außenflächen vorhandenen Spannstangen-Verschraubungen kann man zusätzlich durch dort eingebohrte kurze Stücke von 0,5mm starken Federstahldraht darstellen, die man aber nur einklebt anstatt zu löten, um die zuvor angelöteten L-Profile nicht wieder abzulösen!
Mittig im Portalfeld wird ein Messingstab in Quadratform 1,0 × 1,0mm senkrecht eingelötet und dann beidseitig mit je einem Rundstab ø 0,8mm gestützt, der von unten hinauf diagonal mit ca. 25° zu den doppelten L-Profilträgern geführt wird und dort zwischen diese eingelötet wird. Die Ausleger der Fahrdrahthalter werden dann alternierend einer am seitlichen I-Profilmast, der andere am senkrechten quadratförmigen Mittelstab angebracht, wobei die Haltestangen auf einen weißen Isolator – gestützt auf einer U-förmig gebogenen Rundstabkonsole – befestigt werden.
Da die Fahrleitung zur möglichst gleichmäßigen Abnützung der Stromabnehmer-Palette der Triebwagen in Gleisgeraden in einem rechts-links-Zickzack zu führen ist, müssen die Fahrleitungs-Haltestangen von Mastportal zu Mastportal immer wieder alternierend rechts oder links der Gleisachse befestigt werden, da sie nur “auf Zug” belastbar sind.
Die Halterungen der “Klammermasten” seitlich an den Viaduktfronten erfolgt über entsprechend zugerichtete Zylinderköpfe von Messingschrauben M3, die einen beidseitig angelötete Messingblech-streifen 5,0 x 0,4mm erhalten, der zuvor wie eine Bandage in Rechtecksform so gebogen wurde, dass er den eingesteckten Mast auf Höhe ausgrerichtet aufnimmt.
3.2 Bauform Streckenmastportale mit Gittermasten
Statt dem H-Mastprofil gemäß Punkt 3.1 wird nun in zwei C-Profile 2,0 × 1,0 × 0,4mm, deren Flansche zueinander zeigen, eine zickzackförmige Diagonalstrebenfolge eingelötet, die zuvor in einer Biegeschablone maßgenau und im richtigen Winkel vorbereitet worden ist. Diese Verstrebungen werden am besten aus einem Messingblechstreifen 1,0 × 0,3mm hergestellt, der sich beim Einlöten am leichtesten in den Hohlraum der beiden C-Profile einbinden lässt. Das Einlöten der Verstrebungen erfolgt am einfachsten entlang des noch in der Biegeschablone befindlichen und vorgebogenen Messingblechstreifens.
Die Biegeschablone kann aus einer Reihe kopfloser Stahlstifte erstellt werden, die exakt in eine Hartholzleiste eingebohrt werden. Diese garantiert ein genau gerades Fluchten der angelöteten C-Profile und ist mehrfach verwendbar.
Das offene obere und untere Ende der sich verjüngend zueinander verlaufenden C-Profile wird mit kurzen Messingblechstreifen 1,5 × 0,3mm so verlötet, sodass es wie eine Bandagen-Umhüllung wirkt. Diese Lötverbindungen stabilisieren die Diagonalstreben-Verbindungen an beiden Enden.
Für die weiteren Montagen des oberen Portalträgers (die 2 L-Profile 2,0 × 1,0 × 0,4mm) und alle weiteren Herstellungsschritte ist wie in Punkt 3.1 zu verfahren.
3.3 Bauform Streckenmast mit Doppel-Auslegern für die Oberleitung
Diese Bauform für die Aufstellung in Haltestellenbereichen zwischen den Gleisen ist die einfachste Form des Oberleitungsmastes: Als Messingprofil in I-Form sollte der Querschnitt in der Größe 3,0 × 2,0 × 0,4mm gewählt werden, als obere Halteträger wieder die zwei L-Profile 2,0 × 1,0 × 0,4mm. Jedes Profil wird rechts bzw. links des Mastes an den Flanschkanten angelötet. Die im Original jeweils nahe den Flansch-Außenflächen vorhandenen Spannstangen-Verschraubungen kann man zusätzlich durch dort eingebohrte und durch kurze Stücke von 0,5mm starken Federstahldraht darstellen, die man aber nur dann einklebt, um die zuvor angelöteten L-Profile nicht wieder abzulösen. Die U-förmig gebogenen Isolatorstützen werden höhenrichtig an die Mastflanschflächen angelötet, an den weißen Isolatoren die Fahrdraht-Haltestangen (seitenbeweglich) befestigt.
Als Fahrleitungsdraht empfiehlt der Autor den der Firma Sommerfeldt®, der als Profi-Oberleitung bezeichnet wird: er besteht aus punktgeschweißtem Hänge- und Fahrdraht aus verkupferten Federstahldraht, 0,35mm bzw. 0,45mm stark. Es gibt ihn in verschiedenen Längen, je nach Bogenverhältnissen oder Geraden im Streckenbereich. Er ist einfach zu verlöten und muss nur leicht verspannt werden.
Kontakt
Für weitere Fragen bezüglich der Oberleitungsherstellung wenden Sie sich bitte per E-Mail an: wolfgang.schoppe@gmx.at
Oberleitungsportalmast zu Punkt 3.1 (Originalgröße)
Oberleitungsportalmast zu Punkt 3.3 (Originalgröße)
Messingprofile
Eine große Auswahl an Messingprofilen hat Archidelis in der Paniglgasse 18, 1040 Wien.
Zur Historie der Wiener Stadtbahn
Da die Elektrifizierung der Wiener Stadtbahn bereits ab Mitte der 1920er-Jahre durchgeführt wurde, gab es zu dieser Zeit in Wien nur das Vorbild der Straßenbahn-Oberleitung mit einfachem Fahrdraht.
Bedingt durch die für den Dampfbetrieb ausgerichteten Trassierung der Stadtbahnstrecken, die aus der k.u.k.-Zeit stammte, und wegen der für die gewünschte Zuglänge aber noch zu schwachen Elektromotoren, mussten für die Zuglängen stets mehrere Triebwagen vorgesehen werden.
Langzug-Garnituren mit maximal neun Wagen hatten daher Wagen-Anordnungen der Typen N+n wie folgt:
1 Triebwagen + 3 Beiwagen + 1 Triebwagen + 3 Beiwagen + 1 Triebwagen
Diese Garnituren wurden mittels Vielfach-Steuerung gefahren, die über Niedervolt-Stromkupplungen und -leitungen durch die gesamte Wagengarnitur durchgebunden waren.
Es wurde als Energiespannung 750 Volt Gleichstrom eingesetzt, wobei die erforderliche Stromstärke (in Ampère) so hoch war, dass eine Doppeldraht-Fahrleitung mit darüber liegendem Hängeseil vorgesehen wurde.
Die Höchstgeschwindigkeit war aber wegen der noch schwachen Bremssysteme auf 40 km/h beschränkt.